Wie Korallen wachsen: Licht

Was ist Licht?

Über diese Frage streitet sich die Wissenschaft bereits seit Jahrhunderten. Zuerst nahm man an, dass es sich um Strahlen handelt, welche von der Sonne ausgehen. Später nahm man an, dass Licht sich als Welle fortbewegt, wobei je nach Form dieser Welle unterschiedliche Wellenlängen unterschieden werden können. Lange Wellen sehen wir hierbei im roten, kurze im blauen Farbbereich.

Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass Licht aus winzigen Teilchen, den so genannten Lichtquanten (Photonen) besteht. Diese Quanten bewegen sich in einer bestimmten Richtung (geradlinig) durch den Raum, schwingen dabei aber mit einer definierten Geschwindigkeit hin und her. Die geradlinige Bewegung und das Hin- und Herschwingen des Quanten überlagern sich, wodurch sich das Bild einer Welle ergibt. Dies sind die verschiedenen Wellenlängen, welche wir in der Aquaristik als Lichtspektrum kennen.

Das Spektrum stellt aber nur einen Faktor für gutes Wachstum dar. Für die Leistung der Fotosynthese ist tatsächlich die Lichtmenge mindestens ebenso bedeutend.

Lichtspektrum

 

Was ist die Lichtmenge?

Die Lichtmenge ist einfach gesagt die gesamte Zahl an Lichtquanten, welche in einer definierten Zeit ( z.B. 1 Sekunde) auf eine definierte Fläche (z.B. 1 Quadratmeter) auftrifft. Sie ist vergleichbar mit der Niederschlagsmenge. Fällt nur Nieselregen, treffen wenige Tropfen in einer bestimmten Zeit auf eine definierte Fläche. Fällt allerdings Starkregen, prasseln deutlich mehr Tropfen auf die gleiche Fläche. Genauso wie die Tropfen verhalten sich auch die Quanten. Leichter Regen wäre demnach schwaches Licht und starker Regen sehr starkes Licht.

Korallen benötigen, wie wir aus der Praxis wissen, unterschiedlich viel Licht. Dies liegt daran, dass Korallen unterschiedlich viele Photonen benötigen, um daraus durch Fotosynthese Energie zu bilden. Hinzu kommt, dass sich einige Korallen fast ausschließlich von Licht und andere vermehrt von partikulärer Nahrung ernähren.

In der Wissenschaft spricht man bei der Menge an Quanten (Photonen), welche zur Bindung einer bestimmten Menge Energie benötigt werden, vom sogenannten „Quantenbedarf“. Da in der Fotosynthese diese Energie in Form von Zucker gebildet wird, handelt es sich also um die Zahl an Quanten, welche benötigt werden, um eine bestimmte Menge Zucker zu bilden.

Wir können es uns in der Praxis so vorstellen, dass auch wir Menschen pro Tag eine gewisse Menge an Energie aus der Nahrung aufnehmen müssen. Essen wir mehr, so wird die überschüssige Energie als Fett gespeichert. Wir nehmen zu. Essen wir zu wenig, nehmen wir ab.

Genauso verhält es sich bei Korallen. Sie benötigen pro Tag eine gewisse Menge Energie in Form von Zucker. Um diesen Zucker zu produzieren, benötigt die Koralle eine spezifische Anzahl an Lichtquanten. Wenn die Koralle genau die Menge erhält, welche sie benötigt, bleibt sie am Leben. Erhält sie weniger, stirbt sie nach einer gewissen Zeit. Da Korallen kein Fett bilden, stecken sie den Großteil an überschüssiger Energie (also an überschüssigem Licht) in das Wachstum.

Acropora

 

Ist viel Licht immer gut?

Wie zuvor angemerkt wurde, hilft eine hohe Beleuchtungsstärke ein gutes Korallenwachstum zu ermöglichen. Allerdings kann zu viel Licht auch schädlich auf Korallen wirken. Man spricht von Lichtstress.

Die Fotosynthese von Korallen ist so aufgebaut, dass sie Licht verschiedener Wellenlängen über sogenannte Antennenpigmente auffängt und zu den lichtaktiven Zentren leitet, welche daraus Energie erzeugen. Eine optimale Fotosyntheseleistung kann nur dann erreicht werden, wenn Licht verschiedener Wellenlängen gleichzeitig auf die Koralle trifft. Man spricht vom so genannten Emerson – Effekt, welcher aussagt, dass Licht verschiedener Wellenlängen, welches gleichzeitig auf die Pigmente trifft, mehr Energie erzeugt, als Licht der gleichen Einzelspektren, welches nacheinander auf die Pigmente trifft und anschließend addiert wird.

Man kann sich dies mit einer Autobahn und mehreren Zufahrten verdeutlichen. Fahren die Autos z.B. verteilt über drei Zufahrten auf, so läuft der Verkehr flüssig und es sind viele Autos auf der Autobahn. Fahren aber alle Autos über die gleiche Zufahrt auf, so entsteht ein Stau und es fahren in Summe weniger Autos auf der Autobahn. Wenn zuerst die erste, dann die zweite und dann die dritte zufahrt fährt, entsteht ebenfalls ein Stau an den Zufahrten, welche gerade nicht fahren, und auf der Autobahn fahren in einem Moment weniger Autos.

Genau so verhält es sich auch bei Korallen, nur dass die Auffahrten die verschiedenen Lichtfarben darstellen, welche in unserer Beleuchtung enthalten sein müssen. Aus diesem Grund ist es auch in der Aquaristik wichtig, die richtigen Spektren miteinander zu kombinieren.

Bei der Lichtstärke gibt es ähnliche Prozesse. Die weitläufig verbreitete Meinung besteht darin, dass eine sehr hohe Lichtintensität für die erfolgreiche Pflege von Korallen notwendig ist, da ja auch die Beleuchtung im natürlichen Lebensraum sehr stark ist. Viele Aquarianer, welche jedoch neue Korallen aus Wildfängen eingesetzt haben, berichten von einem „Verbrennen der Korallen“. Aus diesem Grund wird oft empfohlen, neue Korallen zuerst etwas tiefer im Becken einzubringen.

An diesem Punkt zeigt sich ein anfängliches Paradoxon, da die Koralle ja im Riff auch viel Licht zur Verfügung hatte, dieses im Aquarium aber scheinbar nicht verträgt. Der Grund für dieses Verbrennen ist in einer Stressreaktion der Koralle zu finden, welche unter anderem zu einer Hemmung des sogenannten „Xanthophyll – Zyklus“ und des Diadinoxanthinzyklus führt.

Diese Zyklen sind eine Anpassung von Korallen an zu hohe Beleuchtungsstärken, wie sie in Riffen eigentlich immer vorherrschen. Tatsächlich ist es nämlich so, dass Korallen bei weitem nicht so hohe Lichtintensitäten benötigen, wie sie ihnen die Sonne zur Verfügung stellt.

Das liegt daran, dass ein Lichtteilchen (Quant) je ein lichtaktives Zentrum (Fotosystem) so anregen kann, dass es aus diesem Energie erzeugt. Um dies zu machen, geht das System in einen sogenannten „angeregten Zustand“ über. Dieser ist instabil und darf nicht von einem weiteren Lichtteilchen getroffen werden, da er durch dieses zerstört werden würde.

Die Koralle nutzt also nur wenige Lichtteilchen effektiv, um daraus Energie zu erzeugen, und ist in der Zwischenzeit damit beschäftigt, andere Lichtteilchen abzufangen, damit diese die Fotosysteme nicht zerstören. Die überschüssige Energie der „überflüssigen“ Lichtteilchen wird entweder in Wärme umgewandelt oder aber in Fluoreszenz.

Der Xanthophyll – Zyklus macht genau dies, und schützt damit die Koralle vor schädlicher Strahlung. Im genauen wandelt dieser bei Belichtung „Violaxanthin“ (ein Pigment) in „Zeaxanthin“ (ein anderes Pigment) um. In der Nacht läuft die Reaktion rückläufig ab und es wird wieder Violaxanthin gebildet. Wenn nun aber die Beleuchtung zu stark ist, oder aber die Beleuchtungsdauer zu lang ist, so wird Violaxanthin zu schnell verbraucht. Ist es alle, wird die Koralle geschädigt. Dies geschieht, wenn durch Stress der Zyklus gehemmt wurde (z.B. nach einem Transport) oder aber wenn das Becken zu lange beleuchtet wird.

Der Zyklus läuft nicht nur in der Nacht ab, sondern auch in kurzen Schattenphasen, welche z.B. durch Wolken erzeugt werden. Für besonders gesundes Wachstum ist es daher unter Umständen sinnvoll, eine Wolkensimulation zu nutzen, wie sie z.B. bei dimmbaren Lampen möglich ist.

 

Acanthastrea

Welche Lichtquelle ist sinnvoll?

Grundsätzlich gilt es in der Aquaristik sogenannte „Punktstrahler“ von „Flächenstrahlern“ zu unterscheiden. Zu Punktstrahlern zählen vor allem LED aber auch HQI. Das Musterbeispiel der Flächenstrahler stellt die T5 dar.

Punktstrahler zeichnen sich dadurch aus, dass sie relativ viel Licht, also eine hohe Quantendichte, gerichtet auf eine kleine Fläche abstrahlen. Durch diese gerichtete Lichtführung entstehen zum einen relativ scharfe Schatten, wodurch nur die dem Licht zugewandte Seite der Koralle bestrahlt wird. Zum anderen ist die Lichtintensität in diesem bestrahlten Bereich sehr hoch.

Soeben haben wir jedoch gelernt, dass die Koralle nur relativ wenige Lichtteilchen effektiv nutzt, um daraus Energie zu gewinnen. Die hohe Intensität ist also biologisch gesehen nicht unbedingt nötig. Dadurch, dass das Licht sehr gerichtet auftrifft, ist also an einer Seite der Koralle sehr viel Licht, welches aber eigentlich unwirksam ist und auf der anderen Seite sehr wenig Licht. Auf die gesamte Koralle gerechnet, nimmt diese durch diesen Schatten weniger Energie auf, als es möglich wäre, wenn die Koralle von allen Seiten Licht erhalten würde.

Die T5 funktioniert gewissermaßen genau entgegengesetzt. Sie gibt etwas weniger Lichtteilchen ab als die Punktstrahler, was ihr rein technisch betrachtet einen geringeren Wirkungsgrad (Lichtausbeute je Energie) vermittelt. Dieses Licht ist aber weniger gerichtet und „umspült“ die Koralle somit gewissermaßen mit Licht (wenn man den Vergleich mit den Regentropfen nochmal bedienen will). Dadurch kann die Koralle auf die gesamte Oberfläche gerechnet mehr Energie produzieren. Die etwas geringere Quantenabgabe ist biologisch gesehen kein Nachteil, da ja wie beschrieben nur relativ wenige Lichtquanten für die Energieerzeugung genutzt werden.

In der aquaristischen Praxis ergibt sich daraus, dass T5 Lampen für die Beleuchtung eines Riffaquariums gut geeignet sind, denn sie vereinen ein weites Spektrum mit einer guten, biologisch wirksamen Lichtverteilung.

Aber auch LED sind durchaus für die Aquaristik geeignet. Es gibt hier jedoch einige Dinge zu beachten. Da LED nur jeweils Licht mit einheitlichen Wellenlängen produzieren, ist es für die Erzeugung eines breiten Spektrums notwendig, möglichst viele unterschiedliche LED zu kombinieren.

Weiterhin muss die Eigenschaft eines Punktstrahlers überwunden werden, was am besten über eine flächige Verteilung der LED zu gewährleisten ist. Es sollte also eine Art „Sternenhimmel“ mit verschiedenen LED in verschiedenen Farben erzeugt werden.

Da, wie soeben beschrieben, eine zu hohe Quantendichte keinen positiven Einfluss auf die Energiebilanz der Koralle hat, ist es auch nicht notwendig die LED (je nach Modell) mit voller Leistung zu betreiben, sondern die selbe Leistung (Watt) lieber auf mehr LED zu verteilen.

von Marius Schumann für ATI

 

Literatur:

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